Artikel Schwäbische/Aalener Nachrichten 18.10.2017
Das Netzwerk Essstörungen im Ostalbkreis ist seit zehn Jahren ein bundesweit einmaliges Projekt
Aalen / lem Die 25-jährige AOK-Mitarbeiterin hatte ihr Leben noch vor sich. Sie machte die ganze Leidensgeschichte durch, die hinter dieser Krankheit mit dem eigentlich viel zu harmlosen Namen „Essstörung“ steckt. Und sie starb daran. Dieses Schicksal war die Initialzündung des „Netzwerk Essstörungen im Ostalbkreis“ (NEO), das die AOK Ostwürttemberg federführend ins Leben rief. Ziel dieses bundesweit einmaligen Hilfsangebots für die Betroffenen ist die Schließung von Versorgungslücken bei der ambulanten und stationären Psychotherapie und bei Therapieangeboten. Dieses Netzwerk gibt es nun seit zehn Jahren.
Essstörungen wie Magersucht, Bulimie oder die „Binge-Eating-Störung“ mit häufigen Essensanfällen können jeden treffen, die jüngste der bislang fast 200 Teilnehmerinnen war 18, die älteste 67. Teilnehmerinnen deshalb, weil 187 von ihnen weiblich waren. Durchschnittlich 19 Monate sind sie im Programm.
Das Problem bei der Therapie von Essstörungen ist, erklärt AOK-Geschäftsführer Josef Bühler, dass die Betroffenen durch die „Schnittstellen“ fallen, auch weil die psychotherapeutische Versorgung oft lückenhaft ist. „Es gibt viel zu wenig Psychotherapeuten“, erklärt Hedwig Wunderle von der Caritas-Beratungsstelle und viel zu wenig spezielle, verlässliche und individuelle Angebote für Betroffene in solchen Krisensituationen. Dazu kommt, so Askan Hendrischke, Chefarzt der Klinik für Psychosomatik am Ostalb-Klinikum, dass viele Patienten beispielsweise in eine Spezialklinik am Chiemsee mussten, also weit weg von Angehörigen. Deshalb liege einer der Schwerpunkte auch auf der lokalen, ambulanten Therapie. Die Erfahrungen, zeigten, berichtet Claudia Eichholz (Praxis für Psychotherapie), dass beispielsweise Gruppentherapien sehr hilfreich seien und motivierten, in Behandlung zu kommen. Zudem würden über den und den integrierten Versorgungsvertrag die Hilfen entsprechend honoriert.
Von einer „Winn-Winn-Winn-Situation“ spricht Oberarzt und der erste Vorsitzende von NEO, Martin von Wachter, weil gleich drei Seiten von diesem Netzwerk profitierten: Patienten, Behandler wie Haus- und Fachärzte und der Kostenträger, die AOK. Und die war vor zehn Jahren bei der Gründung des Netzwerkes „hochinnovativ“, lobt Hendrischke. Allerdings: Für so ein gemeinsames Projekt brauche es „viel Herzblut“, erklärt Frank Seifert (AOK Versorgungsmanagement). Deshalb lasse es sich auch nicht einfach auf andere Landkreise übertragen.
Zum Thema „Essstörungen – ein Tabu?“ gibt es am Donnerstag ab 18.30 Uhr in der Hochschule (Neue Aula Beethovenstraße 1) Vorträge, unter anderem mit Kera Rachel Cook, ehemalige „Germany’s next Top Model“-Kandidatin, und am Samstag unter dem Titel „Neues in der Behandlung von Essstörungen“ ab 19.30 Uhr im Ostalb-Klinikum ein Fachsymposium.