Therapeutisches Netzwerk im Ostalbkreis soll künftig den individuellen Behandlungsweg optimieren – Rasche Hilfe durch dick und dünn – Im Ostalbkreis soll es ein Netzwerk Essstörungen geben. Dieses soll Menschen helfen, die unter Essstörungen leiden, damit sie möglichst rasch einen individuellen und kontinuierlichen Weg ohne große Lücken durch die diversen Therapieangebote finden.
„Is(s) was?!“ ist der Slogan einer Wanderausstellung…
AALEN „Essstörungen befinden sich immer noch in einer Tabuzone“, monierte noch vor einem Jahr Hedwig Wunderlich, Diplom-Sozialpädagogin in der psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstelle für Suchtkranke und Suchtgefährdete der Caritas Ostwürttemberg. Damals schrieb diese Zeitung über das Thema „Bulimie – Magersucht – Esssucht“. Denn: Während eine ambulante Therapie etwa für Alkoholiker in der Beratungsstelle der Caritas über die Krankenkassen finanziert wird, erstatten die Ersatzkassen die Kosten für entsprechende Gruppensitzungen für Essgestörte nicht. Selbst AOK, IKK und die BKKs fordern einen Eigenanteil für die Gesprächstherapie bei der Caritas.
Eine Tabuzone noch dazu mit doppeltem Boden: Wie Dr. Askan Hendrischke und Dr. Martin von Wachter von der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin im Ostalb-Klinikum Aalen feststellen, ist kennzeichnend für den oft chronischen Verlauf der Erkrankung, dass sie von Betroffenen, Angehörigen oder Freunden selten auf Anhieb erkannt wird. Hinzu kommen wechselnde Behandlungsmotivation der Patienten, Hilflosigkeit in der Familie und Probleme im Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenenalter.
Die mit dem Netzwerk angestrebte integrierte Versorgung will sich daher um Flexibilität und enge Kooperation zwischen medizinischen und psychosozialen Behandlern sowie um die systematische Einbeziehung der Angehörigen bemühen.
Bereits im vergangenen Jahr hat sich im Ostalbkreis eine Arbeitsgruppe von niedergelassenen Ärzten (Hausärzte, Nervenärzte, Kinderärzte) und Psychotherapeuten, Vertretern der verschiedenen Kliniken und Beratungsstellen gebildet, zu der auch Berthold Weiß gehört, der Suchtbeauftragte des Ostalbkreises. Angestrebt ist eine Kooperation von unterschiedlichen therapeutischen Einrichtungen im ambulanten Bereich (Beratungsstellen), im tagesklinischen (Tagesklinik Hirschbach) und im stationären Bereich, um bestehende Hilfsangebote für essgestörte Patienten besser aufeinander abzustimmen und gleichzeitig vorhandene Lücken im Versorgungsangebot zu schließen.
Doch damit diese Kooperation nicht dem Goodwill oder dem persönlichen Interesse des einzelnen Therapeuten überlassen bleibt, sollen für dieses Netzwerk vertragsmäßige Rahmenbedingungen mit der AOK Baden-Württemberg ausgehandelt werden. In diesen Tagen laufen erste Gespräche. Dr. Martin von Wachter erklärt: „Ohne Unterstützung seitens der Krankenkasse ließe sich unser Vorhaben nicht realisieren.“ Sprich: Hendrischke und Wachter hoffen auf einen finanziellen Topf, über den das Netzwerk Essstörungen künftig verfügen kann. „Dann“, erklären sie, „wäre es auch möglich, einen Psychotherapeuten einzustellen – ambulant, in der Beratungsstelle oder im Krankenhaus – der einen lückenlosen individuellen Behandlungsweg für die einzelnen Patienten managt.“ Der Nebeneffekt: Dadurch würde gleichzeitig die stationäre Behandlungsdauer in der Klinik optimiert, verkürzt. Und einer chronischen Entwicklung der Erkrankung frühzeitig vorgebeugt. Weniger Behandlungskosten also, was eine Refinanzierung des netzeigenen Finanztopfs möglich machen könnte.
Das fachärztliche Symposium zum Thema „Essstörungen“ am 10. Juli wird begleitet von einer Wanderausstellung unter mit Titel „Is(s) was?!“. Eröffnung ist am 9. Juli im Forum des Ostalb-Klinikums Aalen. Geöffnet ist die Ausstellung bis 28. Juli ganztags für Besucher und Gruppen.
Schwäbische Post 6.7.2004 VON ULRIKE WILPERT