100 Tage hat das Netzwerk Ess-Störungen im Ostalbkreis (NEO) jetzt auf dem Buckel – und die Macher ziehen eine erste Bilanz, die da lautet: Die Idee bewährt sich. 13 Betroffene werden bereits betreut – in jeweils einer Gruppe in Aalen und Gmünd. Das überregionale Interesse der Fachwelt ist riesig.
aalen „NEO“ steht für die Idee, dass Beratungsstellen, Suchthilfe, Psychologen, Krankenkassen, Haus- und Fachärzte in einem Netz zusammenarbeiten, um Patienten mit Essstörungen zu helfen. Für dieses Miteinander hat man im Ostalbkreis eine Struktur geschaffen, die Hilfs-, Beratungs- und Therapieangebote koordiniert und über einen integrierten Versorgungsvertrag finanziert wird. Normalerweise würden die Beteiligten bei den Krankenkassen keine Bezahlung abrechnen können für die unbedingt notwendigen monatlichen Fallkonferenzen und Qualitätszirkel, erklärt Dr. Martin von Wachter von der Psychosomatischen Klinik am Ostalbklinikum. Weil man aber erkannt habe, dass nur durch diese Zusammenarbeit dem Patienten wirklich wirkungsvoll und zeitnah geholfen werden kann, habe man das Netz geknüpft, erklärt er – und mit der AOK Ostalb einen interessierten und konstruktiven Partner gefunden.
„Wir nehmen für diesen innovativen Weg viel Geld in die Hand“, sagt Josef Bühler, der stellvertretende AOK-Geschäftsführer in Ostwürttemberg. Trotzdem seien die rund 500 000 Euro pro Jahr gut investiert, denn gerade bei Ess-Störungen sei mit einen „Drehtür-Effekt“ zu rechnen – sprich vielen Doppeluntersuchungen und Behandlungen bei unterschiedlichsten Ärzten und Therapeuten – wenn es keine Koordination gebe. In der Regel müssten die Kassen durchschnittlich mit 20 000 Euro pro Patient und Jahr kalkulieren. Der Vertrag zur integrierten Versorgung helfe also nicht nur den Betroffenen, sondern auch den Finanziers, die mittel- und langfristig mit Einsparungen rechnen könnten. „Ich bin positiv gestimmt, dass es funktioniert“, sagt Bühler nach den ersten 100-„NEO“-Tagen.
Und findet ein ebensolches Echo bei Josef Rettenmaier, dem Sozialdezernenten den Ostalbkreises. Mit dem Verbund habe man die Herausforderung Ess-Störung angenommen, das interessierte Echo der Fachwelt zeige, dass dieser Schritt wirklich innovativ ist.
„Sucht endet immer mit dem Tod, wenn man sie nicht zum Stillstand bringt“, warnt Berthold Weiß, der Suchtbeauftragte des Ostalbkreises. Besonders bei Essstörungen sei es schwierig, den Zeitpunkt zu finden, ab dem sich krankes Verhalten entwickelt. Und es bedürfe niederschwelliger Angebote, zu denen Betroffene, deren Bekannte oder Angehörige den Zugang finden. Deshalb hat „NEO“ jetzt eine Kampagne gestartet, die das Netzwerk bekannter macht, verteilt zum Beispiel Werbekarten in Kneipen, Discos und Schulen oder hat eine Internetseite eingerichtet.
Gedanken machen müsse man sich immer dann, wenn eine Diät der anderen folge oder wenn sich bei einem Menschen die meisten Gedanken ums Thema Essen drehten, lautet abschließend Dr. Martin von Wachters Tipp für besorgte Eltern und aufmerksame Lehrer.
Weitere Info unter www.mein-neo.de und Psychosozialen Beratungsstellen der Caritas (07361) 59060 oder (07171) 10420-20
© Schwäbische Post 06.03.2008 anke Schwörer-haag